Erhalt der Wieblinger Streuobstwiese
2022-11-07
Ausgangslage
Zwischen Wieblinger S-Bahnhof, Ehrenfried-Werksgelände und der Autobahn A556/B37 liegt eine alte Streuobstwiese, deren Erhalt wir fordern. (Areal auf Google Maps: https://goo.gl/maps/kBbUSo8YemVj7qc8A)
- Laut einer Anfrage im Gemeinderat vom 13. Oktober 2022 wird durch die Stadtverwaltung gegenwärtig geprüft, ob die ca. 9000 Quadratmeter große Wiese als neuer Standplatz für touristische Reisebusse genutzt werden kann. Hierdurch würde aus unserer Sicht der jetzige Wert des Areals als Biotop weitgehend zerstört.
- Bekannt ist das Areal als nördliche Teilfläche des ehemaligen Villa-Nachttanz-Geländes (Flurstück Nummer 30969). Es wurde 1989 als Gewerbegebiet mit einem Bebauungsplan ausgewiesen und gehört der Stadt.
- Die Wiese wird schon länger nicht mehr bewirtschaftet und gepflegt und zeichnet sich durch zahlreiche Obstbäume und große und mittlerweile überwachsene Freiflächen aus.
- Ein Schutz der Wiese nach § 33a Naturschutzgesetz (NatSchG) zum Erhalt von Streuobstwiesen, sowie der Umwandlungsvorbehalt von Streuobstwiesen nach baden-württembergischer Rechtslage greifen laut Aussage der Stadtverwaltung nicht für das Grundstück.
Bewertung
Der BUND Heidelberg tritt mit Nachdruck dafür ein, die Streuobstwiese zu erhalten und nicht für gewerbliche Zwecke oder als Reisebusparkplatz zu nutzen. Folgende Gründe sprechen aus unserer Sicht dafür:
- Die Wiese ist ein wertvolles Biotop, in dem Pflanzen und Tiere weitgehend ungestört leben können. Solche Flächen werden allgemein immer seltener und müssen wegen ihres Wertes für den Naturhaushalt dringend geschützt und erhalten werden.
- Der Charakter der Wiese entspricht den traditionellen Streuobstwiesen unserer Region und ist durch ihre Größe, ihr Alter und Lage mittlerweile äußerst selten in Heidelberg. Ein Verlust wäre unwiederbringlich und etwaige Ausgleichsmaßnahmen teuer, wenig wirksam und in Heidelberg kaum realisierbar.
- Gerade in dem Wieblinger Gewerbegebiet gibt es ansonsten keine bedeutsamen “ökologischen Inseln” mehr. Die Verdichtung und Versiegelung schreitet stetig weiter voran und hat im Rahmen der ausgewiesenen Flächen bald ihr Maximum erreicht. Durch Klimaveränderung und Artensterben sehen wir jedoch die dringende Pflicht, die wenigen verbliebenen und funktionierenden Lebensräume für Tiere und Pflanzen im Stadtgebiet zu schützen.
- Angesichts des ökologischen und kulturellen Wertes des Geländes ist eine Nutzung als Reisebusparkplatz in keinster Weise verhältnismäßig. Der Erhalt der Wiese steht in unseren Augen im überwiegenden öffentlichen Interesse. Heidelberg hat sich dem Klima- und Umweltschutz eindeutig und mit höchster Priorität verpflichtet - auch dem Schutz von Streuobstwiesen. Entsprechend muss auch gehandelt werden: ökologisch wertvolle Flächen dürfen nicht leichtfertig verkehrs- oder wirtschaftsplanerischen Wünschen geopfert werden.
- Durch den vor über 30 Jahren erstellten Bebauungsplan ist die gesetzlich garantierte Schutzwürdigkeit des Grundstücks als Streuobstwiese voraussichtlich eingeschränkt. Dies kann aus unserer Sicht heute aber für Heidelberg kein Argument sein, ökologisch wertvolle Flächen zu bebauen. Diese Zielsetzung zeigt sich auch in der aktuellen Gesetzgebung des Landes, welche die Nutzung großer rechtlicher Ermessensspielräume einfordert. (Siehe insb. “Vollzugserlass zum Schutz von Streuobstbeständen; Ermessenskonkretisierende Hinweise zur Anwendung von § 33a Abs. 2 NatSchG” des Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg” vom 19.04.22)
Forderungen
Der BUND Heidelberg stellt folgende Forderungen an die Heidelberger Stadtverwaltung und Kommunalpolitik:
- Der dauerhafte Erhalt der Wieblinger Streuobstwiese und der Verzicht auf eine Nutzung als Reisebusparkplatz.
Ein Standplatz für leicht bewegliche Reisebusse kann sicherlich auch an anderer Stelle im Stadtgebiet realisiert werden. Zudem sollte geprüft werden, ob in der Bebauungsplanung von 1989 schon der Wert des Streuobstbestands ausreichend berücksichtigt wurde und kein Abwägungsfehler vorliegt. Auch eine artenschutzrechtliche Prüfung sehen wir vor dem Hintergrund des offensichtlichen ökologischen Wertes der Wiese als notwendig an. - Die Entwicklung eines Nutzungs- und Pflegekonzepts für die Streuobstwiese, wobei der Erhalt des ökologischen Werts an erster Stelle stehen muss.
Sollte eine landwirtschaftliche Nutzung als Streuobstwiese nicht realisierbar sein, sollte das Gelände unserer Ansicht nach Pflanzen und Tieren als Habitat-Raum überlassen und nur soweit gepflegt werden, dass sein jetziger Charakter bewahrt wird. Zu prüfen wäre, inwieweit eine zusätzliche ökologische Aufwertung sinnvoll ist (zum Beispiel Aufhängen von Nisthilfen). In einem zu erstellenden Pflegekonzept könnten beispielsweise besonnte Bereiche mit geringer Baumdichte zweimal im Jahr gemäht werden, um die blütenreiche Vegetation der Wiese zu fördern und so den Lebensraum für Insekten aufzuwerten. - Ein Konzept für die künftige Entwicklung Heidelberger Gewerbeflächen, in dem der Erhalt und die wirksame Vernetzung von ökologischen Lebensräumen und Trittsteinbiotopen innerhalb der Gewerbegebiete integriert und mit Priorität behandelt werden.
Die Ansiedlung von Gewerbe soll darin auf schon versiegelte Flächen beschränkt sein. - Eine Festlegung für die künftige Stadtplanung, dass
- der Erhalt von ökologisch wertvollen Flächen Vorrang hat vor etwaigen Kompensationsmaßnahmen und
- alte Bebauungsplanungen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Klima-, Arten- und Flächenschutz neu verhandelt werden, wo dies vertragsrechtlich möglich ist.
Material & Quellen
- Anfrage durch Dr. Nicolá Lutzmann (Grüne) im Heidelberger Gemeinderat zur “Errichtung eines Busparkplatzes in Wieblingen” behandelt in der Sitzung vom 13.10.2022: https://www.gemeinderat.heidelberg.de/vo0050.asp?__kvonr=33003
- Areal im Karten-Service der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: https://udo.lubw.baden-wuerttemberg.de/public/q/3ljA84NJo2gL5lKUf3QOHb
- Städtischer Bebauungsplan von 1989: https://ww2.heidelberg.de/mapservicemobile/hd_data/BPLAENE/BPlaene _PDF/09_Wieblingen/09-01-02.pdf
- Gesetz des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft (Naturschutzgesetz - NatSchG) / § 33a Erhaltung von Streuobstbeständen: https://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&query=NatSchG%20 BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-NatSchGBW2015V2P33a
- Vollzugserlass zum Schutz von Streuobstbeständen; Ermessenskonkretisierende Hinweise zur Anwendung von § 33a Abs. 2 NatSchG - Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg - 19.04.2022: https://www.gar-bw.de/wp-content/uploads/2022/06/Streuobstwiese-Vollzugserlass-zum-Schutz-von-Streuobstbestaenden-2022.pdf
- Vollzugshilfe zur Anwendung des § 33a NatSchG (Erhaltung von Streuobstbeständen) - Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg - 03.03.2021: https://www.gar-bw.de/wp-content/uploads/2021/03/Streuobstwiese-Vollzugshilfe-zur-Anwendung-des-%C2%A7-33a-NatSchG-Maerz-2021.pdf
- Streuobstanbau als immaterielles UNESCO-Kulturerbe: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/streuobstanbau