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Bau einer Seilbahn durch das Naturschutzgebiet Altneckar Heidelberg-Wieblingen?

Eine Bewertung der Projektidee aus Sicht des Naturschutzes

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Aktueller Stand

(01.01.2024)

  • In Heidelberg wird derzeit eine Seilbahn über den Neckar zwischen dem Neuenheimer Feld und dem S-Bahnhof Pfaffengrund-Wieblingen bis in Richtung Patrick-Henry-Village diskutiert. Die Stadt Heidelberg lässt derzeit die Machbarkeit prüfen.
    Leider wird bei der Diskussion um eine Seilbahn über den Neckar übersehen, dass diese durch das Naturschutzgebiet Altneckar Heidelberg-Wieblingen führen würde und der Bau derartiger Maßnahmen dort verboten sind. In der Naturschutzverordnung für dieses größte Heidelberger Naturschutzgebiet heißt es:
  • „In den Naturschutzgebieten ist insbesondere verboten: u.a. Straßen, Wege, Plätze oder sonstige Verkehrsanlagen anzulegen, Leitungen zu verlegen oder Anlagen dieser Art zu verändern“
  • Für viele Menschen scheint der Heidelberger Altneckar zweidimensional, für die meisten Tiere am Neckar, besonders für die Vogelwelt, aber auch für Fledermäuse ist die Ausdehnung dieses Gebietes in die Höhe ein unverzichtbarer Teil ihres Lebensraumes. Das bedeutet, dass eine Seilbahn zwischen dem S-Bahnhof Wieblingen-Pfaffengrund und dem Neuenheimer Feld nicht über, sondern mitten durch das Naturschutzgebiet Altneckar-Wieblingen, durch den Lebensraum vieler geschützter Vogelarten verlaufen würde, u.a. durch den Lebensraum eines extrem seltenen Nachtreihers.
  • Zahlreiche Wasservögel aus Nord- und Nordosteuropa kommen jedes Jahr ins Naturschutz-gebiet Altneckar Heidelberg-Wieblingen, um dort den Winter zu verbringen. Enten, Gänse und Säger „landen“ in größeren Gruppen oder Schwärmen auf dem Altneckar. Sie könnten mit Drähten in der Luft kollidieren, zumal viele ihrer Flüge nachts stattfinden. Es käme auch dann zu Kollisionen, wenn sich die Seilbahn nicht bewegte. Auch die beweglichen Gondeln können Vögel, vor allem Wasservögel bei ihrem Anflug auf Wasserfläche stören (Zitat Prof. Dr. Wink, Universität Heidelberg, mündlich 2023). Großvögel wie Störche und Reiher sowie Wasservögel wie Gänse und Enten kollidieren besonders häufig mit Drähten in der Luft (siehe: Brunner, H.: Verdrahtung des Luftraums als artenschutzrelevante Gefahrenquelle für Zugvögel an Gewässern (2011).

Fazit:
Die Verdrahtung des Luftraums stellt eine artenschutzrelevante Gefahrenquelle dar und hätte die Zerschneidung des Luftraums und damit eine gravierende Raumverkleinerung zur Folge, vor allem für Rast- und Zugvögelschwärme. Störungsempfindliche Vogelarten, die einen wesentlichen Wert des Schutzgebietes ausmachen, wären so am Wieblinger Altneckar nicht mehr geschützt.

Lage & mögliche Trasse

  • Die Idee für eine Streckenführung ist noch grob und in der Entwicklung. Stationen am Technologiepark, an den Kliniken, am SRH-Campus und am S-Bahnhof wären aber logisch.
  • Der Altneckar in Wieblingen steht seit 1987 unter Naturschutz (ausgewiesenes Naturschutzgebiet).
  • Seit 2001 ist der Altneckar Heidelberg-Wieblingen zusätzlich als NATURA 2000-Gebiet durch die FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) europaweit geschützt.

Kritik:
Trotz der eindeutigen rechtlichen Vorgaben der Naturschutzverordnung ging auch nach der Unterschutzstellung die Diskussion um naturbelastende Eingriffe am Wieblinger Altneckar weiter. Die Idee, eine Seilbahn durch das Naturschutzgebiet zu bauen, fügt sich nahtlos in eine lange Serie politischer Pläne ein, Verkehrswege durch das Naturschutzgebiet zu bauen.

Rechtliche Grundlagen

Wesentliche Schutzzwecke

Wesentliche Schutzzwecke gemäß Schutzgebietsverordnung des Naturschutzgebietes sind:

  • die Erhaltung des Unterlaufs des Neckars und seiner Flussufersäume, Auen und Vorländer, insbesondere der noch ursprünglich geformten, naturnahen, nicht schiffbaren Flussabschnitte mit Wildflusscharakter;
  • die Erhaltung und Förderung der verschiedenen für die Flusslandschaft am unteren Neckar typischen und teilweise zunehmend gefährdeten Pflanzengesellschaften, deren Vegetationsmosaik der standörtlichen Vielfalt entspricht;
  • die Erhaltung und Förderung einer auentypischen Fauna, insbesondere europäischer Vogelarten, die vielfach gefährdet und teilweise vom Aussterben bedroht sind;
  • die Sicherung des räumlich engen Verbundes von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere, die insbesondere für wandernde Tierarten als Brut-, Rast-, Nahrungs- und Überwinterungsgebiet von lebenswichtiger Bedeutung sind

Verbote im Naturschutzgebiet

  • In den Naturschutzgebieten sind alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung der Schutzgebiete oder ihrer Bestandteile, zu einer nachhaltigen Störung oder zu einer Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Forschung führen können.
  • In den Naturschutzgebieten ist insbesondere verboten: u.a.
  • bauliche Anlagen im Sinne der Landesbauordnung in der jeweils geltenden Fassung zu errichten oder die Errichtung gleichgestellte Maßnahmen durchzuführen;
  • Straßen, Wege, Plätze oder sonstige Verkehrsanlagen anzulegen, Leitungen zu verlegen oder Anlagen dieser Art zu verändern;
  • Flugmodelle oder Modellboote zu betreiben;

Zusätzlich gehört der Wieblinger Altneckar zum EU-weiten Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten (Natura 2000). Er gehört zum FFH-Gebiet „Unterer Neckar Heidelberg-Mannheim“ und dient vor allem dem Schutz der Fischfauna. Diese wird wahrscheinlich vom Betrieb einer Seilbahn nicht wesentlich beeinflusst.

Materialien:

Potentiell betroffene Arten

Arten, die durch eine Verdrahtung des Luftraums potentiell besonders beeinträchtigt würden:

Fledermäuse

Alle in Deutschland lebenden Fledermausarten sind in Anhang IV der FFH-Richtlinie gelistet (Liste von Tier- und Pflanzenarten, die europaweit durch die FFH-Richtlinie unter Schutz stehen) und gehören damit zu den streng geschützten Arten.

Folgende Fledermausarten wurden in FFH-Gebiet Altneckar HD-Wieblingen nachgewiesen. Alle sind im Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführt. Dieser Anhang umfasst jene Tier- und Pflanzenarten (in Deutschland aktuell 138 Tier- und Pflanzenarten), die europaweit durch die FFH-Richtlinie unter Schutz stehen, weil sie in ganz Europa gefährdet und damit schützenswert sind.

Tabelle: Fledermausnachweise im FFH-Gebiet "Altneckar Heidelberg-Wieblingen"

­­­­Kollisionen von Fledermäusen mit Leitungen wurden bisher nicht untersucht, sind aber eher nicht zu erwarten. Andere mögliche Beeinträchtigungen durch eine Seilbahn z.B. durch hochfrequente Töne oder durch für Tiere zugängliche hohle Masten (= Fledermausfallen) wurden ebenfalls noch nicht untersucht (Auskunft Brigitte Heinz, Fledermausexpertin, BUND Heidelberg).

Dies muss jedoch geprüft werden. Die FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen) schreibt vor: "Pläne und Projekte, die ein nach der FFH-Richtlinie geschütztes Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, dürfen nur dann genehmigt werden, wenn ihre Verträglichkeit für dieses Gebiet vorher geprüft worden ist.“

Vögel

Im Naturschutzgebiet Altneckar Heidelberg-Wieblingen konnten 2022 und 2023 folgenden Vogelarten beobachtet werden (vergl. https://wordpress.com/post/altneckarwieblingen.wordpress.com) –darunter viele Brutvogelarten, Zugvögel, Durchzügler, Nahrungsgäste und Wintergäste, die am Altneckar die kalte Jahreszeit verbringen. Tabelle 2 zeigt, welche dieser Vögel in der „Roten Liste“ Baden-Württembergs als bedrohte Tierarten verzeichnet sind.

Tabelle: Nachgewiesene Vogelarten der "Roten Liste" Baden-Württembergs 2022/23

Die hohe Anzahl an Vogelarten in der geschützten Aue des Wieblinger Altneckars zeigt ihre Bedeutung des Neckars für die Vogelwelt:

  • Brutbiotop verschiedener Vogelarten an feuchten Standorten, sowie an uferbegleitenden Gehölzen,
  • Ruhebiotop für Zugvögel („Trittstein"-Funktion),
  • Überwinterungsbiotop, v.a. für Wasservögel, aber auch für Vögel der angrenzenden Feldflur,
  • Nahrungsbiotop der heimischen Vogelarten, der Wintergäste, der Dauergäste und der Durchzügler,
  • Rückzugsgebiet für gefährdete und vom Aussterben bedrohte Vogelarten.

Die Avifauna im Naturschutzgebiet Altneckar Heidelberg-Wieblingen ist seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bestens bekannt. Von den 151 Vogelarten, die hier bisher beobachtet wurden, kommen 65 Arten hierher, um zu überwintern, 56 Arten sind Durchzügler. Die Fluss-Aue dient gewissermaßen als Tankstelle an der Vogelzuglinie von Nord nach Süd. Sämereien und Früchte der zahlreichen Sträucher wie Schlehe, Weißdorn, Heckenrose und Schwarzer Holunder am Neckarufer und auf den Inseln bieten den Vögeln nährstoffreiches Futter. Die Wintergäste machen die überregionale Bedeutung des Altneckars und seiner Uferbereiche als Schutz- und Lebensraum für die Vogelwelt besonders deutlich.

Negative Folgen für die Natur

Eingriffe durch eine Seilbahn und die Folgen für die Natur:

  • Die in Heidelberg geplante Seilbahn-Trasse quert das Naturschutzgebiet Altneckar Heidelberg-Wieblingen an der breitesten Stelle des Altneckars, genau dort, wo jeden Winter Schwärme von Wintergästen (vor allem Enten, Gänse und Säger) auf der Wasseroberfläche landen. Die Seile würde diese „Landebahn“ zerschneiden bzw. stark verkürzen. Zwischen den anderen Brücken über den Neckar bliebe dann nicht genügend Platz für den Landeanflug der Wintergäste. Im Rhein-Neckar-Raum und speziell am „Unteren Neckar“ ist dies das einzige Überwinterungsquartier für wandernde Wasservögel aus Nord- und Nordosteuropa, Ausweichstellen gibt es in unserem Ballungsraum nicht.
  • Viele der Überwinterungsgäste kommen bei Nacht am Altneckar an. Startende und landende Vögel, aber auch durchziehende Vögel würden mit den Drähten in der Luft kollidieren, zumal auch viele ihrer alltäglichen Bewegungen nachts stattfinden. Es käme auch dann zu Kollisionen, wenn sich die Seilbahn nicht bewegte! Auch die beweglichen Gondeln können Vögel, vor allem Wasservögel bei ihrem Anflug auf Wasserfläche stören (Zitat Prof. Dr. Wink, Universität Heidel-berg). Großvögel wie Störche und Reiher sowie Wasservögel kollidieren besonders häufig mit Drähten in der Luft. Das Kollisionsrisiko entsteht vor allem dadurch, dass die Seile nicht oder zu spät gesehen werden. Selbst wenn die Vögel ein dickes Leiterseil noch erkennen, weichen sie meist nach oben aus und kollidieren mit dem dünneren Seil oberhalb der Seilbahn. (siehe: Brunner, H. 2011: Verdrahtung des Luftraums als artenschutzrelevante Gefahrenquelle für Zugvögel an Gewässern)
  • Eine Seilbahntrasse mitten durch das NSG hätte eine Zerschneidung des Luftraums und damit gravierende Raumverkleinerung zur Folge. Störungsempfindliche Vogelarten, die einen wesentlichen Wert des Schutzgebietes ausmachen, könnten dort evtl. nicht mehr brüten.
  • Eine mögliche Beleuchtung im / über dem NSG würde zur Verdrängung lichtscheuer Tiere (Fledermäuse, Zugvögel) führen. Nächtliche Beleuchtung stört zudem Wachstum und Entwicklung von Fischen und zahlreiche Bäume in ihrem Jahresrhythmus.

Fazit:
Die Verdrahtung des Luftraums stellt eine artenschutzrelevante Gefahrenquelle dar und hätte die Zerschneidung des Luftraums und damit eine gravierende Raumverkleinerung zur Folge, vor allem für Rast- und Zugvögelschwärme. Störungsempfindliche Vogelarten, die einen wesentlichen Wert des Schutzgebietes ausmachen, wären so am Wieblinger Altneckar nicht mehr geschützt.

Kontakt zum Thema

Dr. Regine Buyer
Vorsitzende BUND Ortsgruppe Heidelberg-Wieblingen
regine.buyer[at]bund.net

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Infos zu den in Deutschland vom Aussterben bedrohten Pflanzen- und Tierarten gibt es auf rote-liste-zentrum.de

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