Wald und Waldwirtschaft in Heidelberg

28. März 2021

An Bäumen hängt unser Herz. Soll ein alter, ehrwürdiger Baum gefällt werden, gehen die Emotionen hoch. Viele Menschen engagieren sich für den Erhalt von Bäumen und Wäldern – zum Glück. Doch wie passt das zusammen mit unserer Liebe zu Holz, Papier und Holzprodukten? Holzprodukte preisgünstig über lange Transportwege aus fremden Ländern zu importieren, in denen häufig Kahlschläge gemacht werden, nur um die heimischen Wälder frei wachsen zu lassen, ist sicherlich keine Lösung. Ökologisch ist die Nutzung von Holz dann jedenfalls nicht.

Biodiversität
Wälder gehören zu den großflächigen Biotopen unseres Planeten und sind ein Hort der Biodiversität, man denke nur an die artenreichsten Waldgebiete, z. B. den Amazonas. Wir müssen den dortigen Mato Grosso schützen und dürfen ihn nicht zum Wirtschaftswald degradieren. Davon ausgenommen ist selbstverständlich seine Nutzung durch indigene Völker, denn sie leben mit und von dem Wald, nicht jedoch von seinen exportierten Ressourcen.
Doch auch Wälder in den gemäßigten Breiten wie der Heidelberger Wald sind aus ökologischer Sicht wertvoll. Und das, obwohl sie in der Regel intensiv genutzt werden, denn hier lässt sich die Nutzung der Wälder mit ihrer Ökologie vereinbaren, solange man bestimmte Regeln beachtet. Die beiden Gütesiegel, die eine vernünftige Bewirtschaftung garantieren, heißen FSC und PEFC; sie wurden für die ökologische Forstwirtschaft entwickelt. Der Heidelberger Wald ist nach den Kriterien beider Siegel zertifiziert. Das garantiert z. B., dass keine Pestizide verwendet werden, Totholz im Wald verbleibt und es Waldbereiche gibt, die für Erholungsuchende tabu sind: so genannte Bannwaldbereiche. Außerdem werden ökologisch wertvolle Flächen im Wald nach ökologischen Kriterien gepflegt und geschützt. Eines dieser schützenswerten Biotope ist die Hirschwiese, die vom BUND Heidelberg seit mehreren Jahrzehnten gepflegt wird.
Klimaschutz
Die Zementherstellung gehört zu den CO2-intensivsten Industriezweigen unserer Welt. Um aus dem Strudel des Klimawandels herauszukommen, sollten wir uns also für den allgegenwärtigen Beton eine ökologische Alternative überlegen. 
Was liegt da näher als Holz! Es wächst in großen Mengen in Wäldern und entzieht dabei der Atmosphäre CO2. Wird Holz verbrannt, so gibt es binnen kurzer Zeit die gleiche Menge CO2 wieder an die Atmosphäre ab. Verwendet man es hingegen zum Bauen von Häusern 
– sogar Hochhäuser lassen sich aus Holz errichten –, so bleibt der Kohlenstoff langfristig gespeichert und bildet eine CO2-Senke. Wir brauchen also unseren Wald und seine Bewirtschaftung, um Holz zu gewinnen und Klimaschutz zu betreiben. Auch auf landwirtschaftlicher Fläche kann Holz produziert werden: In der Agroforstwirtschaft lässt sich bei nur geringfügig sinkender Agrarflächenproduktivität zusätzlich eine beträchtliche Menge davon erzeugen. Es gibt dazu viele Modelle; mehr Informationen finden Sie unter https://agroforst-info.de/.
Zu viele Wege
Ein großes Problem in unseren Wäldern ist das dichte Wegenetz und die damit verbundene Freizeitnutzung. Da Förster*innen persönlich dafür haften, wenn Spaziergängern oder Wanderinnen Äste auf den Kopf fallen oder sie durch umstürzende Bäume verletzt werden, nehmen sie die Wegesicherung sehr genau. Bäume, deren Standfestigkeit nicht mehr gesichert ist, die sehr nah am Weg stehen oder bereits Sturmschäden aufweisen, müssen gefällt werden. Dieses Jahr haben wir erlebt, wie bereits die Ankündigung von Baumfällungen im Mühltal zu einem Sturm des Protestes in der Bevölkerung geführt hat. Das bringt die Förster in ein Dilemma: Einerseits müssen sie Waldbesucher*innen schützen, gleichzeitig sollen aber möglichst wenig Bäume gefällt werden.
Zu starke Freizeitnutzung
Der Blick auf eine Wanderkarte des Heidelberger Stadtwaldes zeigt: Sein Wegenetz ist sehr dicht. Es könnte also sinnvoll sein, es so weit reduzieren, dass deutlich weniger Eingriffe zur Verkehrssicherung erforderlich wären. Wegereduktion wäre also ein Ausweg aus dem forstwirtschaftlichen Dilemma. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt leider eine gegenläufige Tendenz. Spaziert man aufmerksam durch den Wald, fällt auf, dass wilde Wege dramatisch zunehmen. Das Mountainbiking im Wald nimmt zu. Vor allem Downhill-Biker*innen halten sich nicht unbedingt an vorgegebene Wege, sondern fahren querwaldein und bahnen dadurch so genannte Single Trails, die auf einschlägigen Internetportalen der Community zu finden sind. Dies ist aus mindestens zwei Gründen fatal: Zum einen sind diese Wege extrem erosionsanfällig; schon nach kurzer Zeit sind die Spuren so ausgefahren, dass der wertvolle Waldboden bei Regenfällen nach unten ausgeschwemmt wird. Zum anderen durchkreuzen die Single Trails Lebensräume von Wildtieren. Ihre Nutzung hat problematische Auswirkungen: Das Wild verliert seine letzten Rückzugsbereiche, bei Rehen, Hirschen, Wildschweinen steigt der Stresspegel durch die herannahenden Menschen und sie fliehen vor den vermeintlichen Angreifern. In waldnahen Wohngebieten kommt es durch diese Entwicklung immer häufiger zu Kontakt von Wildtieren mit Menschen. Diese Art der Freizeitnutzung gefährdet das Ökosystem Wald als Ganzes.
 

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