Stellungnahme Fortschreibung Teilregionalplan Windenergie - Gebiet Lammerskopf

09.05.2024: Gemeinsame Stellungnahme zur Fortschreibung des Teilregionalplans Windenergie zum Einheitlichen Regionalplan betreffend Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W (Lammerskopf) der BUND-Gruppen Steinachtal, Neckargemünd und Heidelberg

Datum: 09.05.2024

Gemeinsame Stellungnahme zur Fortschreibung des Teilregionalplans Windenergie zum Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar

Unterzeichnende BUND Gruppen:

An: Verband Region Rhein-Neckar, M 1, 4-5, 68161 Mannheim

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Zusammenfassung

Die stellungnehmenden BUND-Kreis- und Ortsverbände sprechen sich nachdrücklich gegen die Ausweisung des Gebiets HD/RNK-VRG02-W als Vorranggebiet für die regional bedeut­same Windenergienutzung aus.

Im Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W „Lammerskopf“ bestehen erhebliche rechtliche Hürden bei der Planung, Genehmigung und Umsetzung von Windenergieprojekten im FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“, einem besonderen, gemeinschaftlichen, europäischen Schutzgebiet mit windkraftsensiblen Zielarten und -Lebensraumtypen und mit Schwerpunkt­vorkommen der Kategorien A und B.

Die hier dargestellten naturschutzfachlichen Restrik­tionen stellen für Investoren und Projekt­betreiber ein hohes Maß an Rechts­unsicher­heit dar. Allein aufgrund der dargestellten beson­deren Konfliktlage, insbesondere aber, wenn im Rahmen möglicher Klageverfahren die Rechtmäßigkeit des Vorhabens einer EU-recht­lichen Überprüfung unterzogen werden muss, sind selbst im Erfolgsfall zumindest erhebliche Verfahrensverzögerungen zu erwarten.

Bei einer Realisierung von Windkraftanlagen im FFH-Gebiet des „Lammerskopf“ wären lokale und überregionale Fledermauspopulationen erheblich betroffen und in ihrem Bestand gefährdet. Auch gesetzlich geschützte Biotope, die für zahlreiche andere waldlebende Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum dienen, wären sowohl von mit der Realisierung der Windkraftanlagen einhergehenden Baumaßnahmen als auch vom Betrieb von Windkraft­anlagen erheblich betroffen. Das FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ wäre erheblich in seiner Aufgabe, die biologische Vielfalt wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern, beeinträchtigt.

Die Windkraftplanung im Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W ist somit nicht rechtssicher.

Als anerkannter Natur- und Umweltschutzverband fordert der BUND, Landesverband Baden-Württemberg, daher, das Gebiet „Lammerskopf“ aus naturschutzfachlichen Gründen nicht als Vorrangfläche für die Windkraft in der Teilregionalplanung auszuweisen.

Stattdessen schlagen wir die Realisierung eines Artenhilfsprogrammes gemäß § 45d BNatSchG in den ökologisch wertvollen Waldgebieten am Lammerskopf vor.

In den anschließenden Kapiteln möchten wir unsere Stellungnahme wie folgt begründen:

Einordnung

Den Ausbau der Windenergienutzung in der Region Rhein-Neckar erachten wir hinsichtlich des Klimaschutzes uneingeschränkt für wichtig und befürworten ihn daher grundsätzlich und ausdrücklich. Neben einer effizienteren Energienutzung bei gleichzeitig zurückhaltenderer, suffizienterer Lebens­führung in weiten Teilen der Gesellschaft ebenso wie in Wirtschaft und Industrie brauchen wir eine möglichst schnelle und vollständige Umstellung der Stromversor­gung in unserer Region auf klimaneutrale Quellen. Der Ausbau der Windenergie (wie auch der Photovoltaik und der Geothermie) muss dazu deutlich beschleunigt werden. Im Vergleich zu den letzten zehn Jahren bedeutet dies für Windenergie- und PV-Freiflächenanlagen eine deutliche Steigerung um den Faktor fünf bis zehn, wenn wir einen angemessenen Anteil der dringend erforder­lichen Anstrengungen für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele leisten wollen.

Gleichwohl halten wir es für unerlässlich, die Klimakrise und die Biodiversitäts­krise gleich­rangig und gemeinsam zu betrachten. Aus diesem Grund müssen die Auswir­kungen des national und EU-weit forcierten Ausbaus der erneuerbaren Energien auf den Natur­haushalt und die Lebens­gemein­schaften der dafür in Anspruch genommenen Naturräume so gering wie möglich gehalten werden. Die baden-württem­bergischen Landesverbände der anerkann­ten Umweltverbände BUND und NABU haben ihre diesbezüglichen Forde­rungen an die Landes- und Regional­planung des Landes in ihrem gemeinsamen Positions­papier „Natur­verträglicher Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg“ (BUND & NABU, 2023) formuliert (s. Anlage). Darin wird die Freihaltung verschiedener Gebietstypen von Bau und Betrieb von Windkraftanlagen gefordert. Zu diesen Gebiets­typen zählen unter anderem Naturschutzgebiete und Natura-2000-Gebiete, wenn deren Schutzzwecke beeinträchtigt werden, sowie definierte Flächen mit Schwerpunktvorkommen (Kategorie A und B) wind­energie­sensibler Arten des Fach­beitrags Artenschutz (LUBW, 2022).

An dieser Stelle setzt unsere Kritik an der Ausweisung des vorgeschlagenen Gebiets HD/RNK-VRG02-W als Vorranggebiet für die regional bedeutsame Windenergienutzung an.

Wichtig ist uns zu betonen, dass es grundsätzlich nicht ausschließlich um den Schutz gefährdeter Fledermäuse geht. Denn diese Tiere sind im Grunde nur „Flaggschiff“-Arten, sozusagen die prominenten Stellvertreter für eine Reihe artenreicher Lebensgemeinschaften in alten Buchenmischwäldern, für deren Erhaltung Baden-Württemberg im internationalen Maßstab eine besondere naturschutzfachliche Verantwortung trägt.

Betroffene Natura-2000-Schutzgebiete

Die geplante Vorrangfläche liegt auf einer Fläche von 361 ha und damit zu etwa 59% innerhalb des FFH1-Gebiets 6518-311 „Steinachtal und Kleiner Odenwald“. Sie grenzt unmittelbar an das FFH-Gebiet 6519-304 „Odenwald bei Hirschhorn“ sowie an das EU-Vogelschutzgebiet VSG-6519-450 „Unteres Neckartal bei Hirschhorn“ (ca. 100 m entfernt).

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“.

Rechtssicherheit: Beeinträchtigung von Naturschutzbelangen im FFH-Gebiet

Wie oben ausgeführt, liegt die geplante Vorrangfläche zu einem Großteil innerhalb des FFH-Gebiets 6518-311 „Steinachtal und Kleiner Odenwald“. Bei FFH-Gebieten handelt es sich um Natura 2000-Gebiete. Mit „Natura 2000“ wird ein europäisches, kohärentes, ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete bezeichnet für Gebiete von (europäisch) gemeinschaftlicher Bedeutung. FFH-Gebiete unterliegen als solche dem Verschlechterungsverbot gem. § 33 Abs. 1 BNatSchG. Demnach sind alle Veränderungen und Störungen, die sich negativ auf den Erhaltungszustand von FFH-Lebensraumtypen sowie von Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie der EU auswirken können, unzulässig. Im Manage­mentplan des hier betroffenen FFH-Gebiets 6518-311 „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ sind mit der Bechsteinfledermaus, dem Großen Mausohr und der Mopsfleder­maus drei laut Hinweis­papier der LUBW (2014) als windkraftsensibel klassifizierte Fleder­maus­arten als Zielarten definiert, die gleichzeitig dem Anhang II der FFH-Richtlinie der EU angehören (Regierungs­präsidium Karlsruhe, 2020). Für den Schutz dieser windkraftsensiblen Fleder­mausarten besteht eine europaweite Verantwortung. Damit bestehen im Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W erhebliche naturschutzfachliche Hürden bei der Umsetzung von Windenergie­projekten, die für Projektbetreiber und Investoren mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden sind. Allein aufgrund der dargestellten besonderen Konfliktlage, insbesondere aber, wenn im Rahmen möglicher Klageverfahren die Rechtmäßigkeit des Vorhabens einer EU-rechtlichen Überprüfung unterzogen werden muss, sind selbst im Erfolgsfall zumindest erhebliche Verfahrensverzögerungen zu erwarten.

Die landesweite Bedeutung dieses Gebiets für windkraftsensible Fledermausarten wird auch angesichts des Fachbeitrags Artenschutz für die Regionalplanung Windenergie der LUBW (2022) deutlich. Demnach umfasst das geplante Vorranggebiet Flächen mit Schwer­punkt­vorkommen der Kategorie A und B. Zu Schwerpunktvorkommen der Kategorie A gehö­ren dabei naturschutzfachlich sehr hoch­wertige Bereiche für gesetzlich geschützte, wind­kraft­sensible Arten. „Sie besitzen einen landesweit sehr hohen naturschutzfachlichen Wert, enthalten die für die (Quell-)Populationen landesweit bedeutendsten Flächen und/oder sind wichtiger Schutzraum für eine erhebliche Anzahl (mindestens vier) windkraftsensibler Arten.“ Schwerpunktvorkommen der Kategorie B stellen „naturschutzfachlich hochwertige Bereiche für gesetzlich geschützte, windkraft­sensible Arten dar. Sie besitzen einen landesweit hohen naturschutzfachlichen Wert und enthalten für die (Quell-)Populationen wichtige Flächen und/oder sind wichtiger Schutzraum für eine bedeutende Anzahl (mindestens drei) windkraft­sensibler Arten“. Das geplante Vorranggebiet gehört laut Fachbeitrag der LUBW (2022) zu fast 100% zum Schwerpunkt­vorkommen der Kategorie B. Der nordwestliche Teil des geplanten Vorranggebietes ist sogar nach LUBW (2022) Kategorie-A-Fläche. Im Falle einer Wind­energienutzung ist für diese Schwerpunktvorkommen von gesetzlich geschützten, wind­kraft­sensiblen Arten der Kategorien A und B von einer erheblichen Beeinträchtigung von Arten­schutzbelangen auszugehen.

Bei der Umsetzung von Windenergieprojekten in FFH-Gebieten sind rechtliche Besonder­heiten gegenüber Nicht-FFH-Gebieten zu beachten. In FFH-Gebieten gilt ein grundsätzliches Verschlechterungsverbot für den Erhaltungszustand EU-rechtlich geschützter Arten und Lebensraumtypen. Darüber hinaus ist in FFH-Gebieten eine mit Blick über das einzelne betroffene Schutzgebiet hinausgehende Summationsprüfung in Genehmigungsverfahren erforderlich, welche die Realisierung von Projekten weiter verzögert, einschränkt oder sogar verhindert. Die Beeinträchtigung der windkraftsensiblen Arten muss also nicht nur singulär für das im hier betrachteten geplanten Vorranggebiet liegende FFH-Gebiet, sondern auch im Zusammen­hang mit bereits bestehen­den oder geplanten Beeinträchtigungen geprüft werden. Zusätzliche, kumulativ nachteilige Umweltauswirkungen sind abzuwenden.

Beispielsweise sind kumulativ nachteilige Auswirkungen durch die Nähe des FFH-Gebiets am Lammerskopf zu den bereits bestehenden Windkraftanlagen am Greiner Eck, am Still­füssel und ggf. zu weiteren Windkraftanlagen am Weißen Stein und am Hohen Nistler („HD/RNK-VRG01-W“) zu erwarten. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass bereits der Windpark „Greiner Eck“ in ein bestehendes FFH-Gebiet (6519-304 „Odenwald bei Hirsch­horn“) hinein errichtet wurde, für welches mit dem Großen Mausohr und der Mopsfledermaus ebenfalls zwei windkraft­sensible Anhang-II-Arten der FFH-Richtlinie Zielarten des Manage­mentplans darstellen. Daher wäre die Kohärenz des NATURA-2000-Schutzgebietsnetzwerks in der Region des Steinachtals bei Schönau an zwei Stellen und damit insgesamt erheblich beein­trächtigt, wenn zu den bereits vorhandenen fünf Windkraftanlagen des Windparks „Greiner Eck“ weitere Anlagen in das benachbarte, nur wenige Kilometer entfernte FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ hinein errichtet werden sollten. Allein dieser negative Summationseffekt schränkt die Rechtssicherheit von Windkraft­planungen am Lammerskopf erheblich ein.

In einem FFH-Gebiet sind alle Veränderungen und Störungen, die sich negativ auf den Erhaltungszustand von FFH-Lebensraumtypen sowie von Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie der EU auswirken können, unzulässig. Der Schwellen­wert für das Verschlechterungsverbot des FFH-Gebietes wird beispielsweise bei der Mopsfleder­maus nach (Lambrecht & Trautner 2007) bereits durch den Bau einer einzigen Windenergie­anlage mit einer Rodungsfläche von mehr als 1.600 m2 überschritten.

Für die Weiterverfolgung der Windkraftplanung wäre dann eine naturschutzrechtliche Ausnahme gem. § 34 Abs.3 BNatSchG erforderlich. Für diese sind jedoch kumulativ drei Voraussetzungen zu erfüllen:

  1. Die Zulassung der Errichtung von Windkraftanlagen innerhalb oder im Pufferbereich des FFH-Gebiets "Steinachtal und Kleiner Odenwald" würde die Erteilung einer artenschutz­rechtlichen Ausnahme­genehmigung auf Basis eines überwiegenden öffentlichen Inter­es­ses erfordern. Hierzu wird regelmäßig angeführt, dass der Ausbau der erneuer­baren Energien mit der EU-Notfallverordnung generell vorrangig behandelt werden soll. Diese durch eine EU-Notfall­verordnung angeblich gestützte Priorisierung des Ausbaus von erneuerbaren Energien vor einem Biodiversitätsschutz kann für ein besonderes gemein­schaftliches, europäisches Schutzgebiet, einem FFH-Gebiet mit windkraft­sensiblen Ziel­arten, nicht angenommen werden.

    „Die Bekämpfung der Klimakrise [erfolgt somit] faktisch auf Kosten der Maßnahmen zur Bekämpfung der Biodiversitätskrise. Für eine solche Priorisierung existiert weder eine wissenschaftliche Grundlage noch ist sie mit völkerrechtlichen Abkommen oder dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbar“ (BVF 2023). Welche negativen Aus­wirkungen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auf Basis eines vermeintlich „überwiegenden öffentlichen Interesses“ am Ausbau der Windenergie vor dem Schutz der Biodiversität selbst in einem besonderen gemeinschaftlichen, europäischen Schutz­gebiet, einem FFH-Gebiet mit windkraftsensiblen Zielarten und Schwerpunkt­vorkommen der Kategorie A und B, haben würde, ist ohne weiteres absehbar: Die Folge dürfte nicht nur ein weiteres Anwachsen der schon jetzt weit verbreiteten Politikverdros­senheit, son­dern sogar das einer allgemeinen Rechtsverdrossenheit sein, wenn letztlich über die Vorgaben geltenden EU-Rechts hinweg und entgegen aller erhobenen natur­schutz­fach­lichen Fakten mit einer ebenso pauschalen wie unbelegten Behauptung eines „überwie­genden“ öffentlichen Interesses eine Ausnahmegenehmigung für den Bau von Wind­kraftanlagen im FFH-Gebiet am Lammerskopf erteilt würde.
  2. Ebenfalls rechtlich problematisch ist nach BNatSchG § 45b Abs. 8 Nr. 3 (Gellermann, 2022) die zweite Voraussetzung, welche für die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme erfüllt werden müsste: das Fehlen zumutbarer Standortalternativen, mit denen das Projektziel ohne oder mit geringer Beeinträchtigung zu erreicht werden kann. Hier müssen Gebiete in der Umgebung des Planungsgebiets als Alternativen geprüft werden, insbesondere solche, die nicht als FFH-Gebiete gelistet werden, und somit nicht als europäisches Schutzgebiet unter den genannten besonderen Schutz fallen. Beispielsweise befindet sich die Vorrangfläche HD/RNK-VRG01-W „Weißer Stein“ in räumlicher Nähe: in weniger als 3 km, bzw. im nördlichen Teil sogar etwa in 500 m Entfernung zum „Lammerskopf“. Eine Einschätzung hinsichtlich der Eignung für Wind­kraftprojekte im Bereich „Weißer Stein“, welcher im Um­weltbericht zum Teil­regi­onalplan Windenergie angesichts zu erwartender hoher negati­ver Umwelt­auswir­kun­gen vom Regierungspräsidium Karlsruhe als nicht geeignet einge­stuft wurde, ist nicht Teil dieser Stellungnahme. Es ist jedoch zu erwarten, dass bei einer Realisierung von Windkraft­projekten am Lammerskopf und am benach­barten Weißen Stein zusätzliche, kumulativ nachteilige Umweltauswirkungen eintreten werden. Dazu ist eine entsprechende Summationsprüfung im Genehmigungsverfahren vorzunehmen.

    Bei aller Schwierigkeit der Abwägung im Einzelnen kann jedoch sicher nicht einfach davon ausgegangen werden, dass zumutbare Alternativen in der nahe­gelegenen Um­gebung des geplanten Vorranggebiets am Lammerskopf nicht zur Verfügung stehen.
  3. Weiter ist die Erteilung einer Ausnahme an erfolgreiche Kohärenzsicherungs­maß­nahmen im Sinne des §34 Abs. 5 BNatSchG geknüpft. Diese Voraussetzung kann nicht, oder nur schwer erfüllt werden: Der Erhaltungszustand der betroffenen Fledermausarten ist sowohl in Baden-Württemberg als auch auf europä­ischer Ebene betrachtet schlecht/­ungünstig bis unzureichend. Es existieren zudem kaum Daten zur genauen Verbreitung, zur Populationsgröße und zum Erhaltungs­zustand der einzelnen Fleder­mausarten, da die Untersuchungen dafür sehr zeit- und kostenintensiv sind. Deshalb ist es kaum mög­lich, eine gesicherte Aussage darüber zu treffen, welche Gefährdungen von der Beein­trächtigung oder dem Verlust lokaler Fledermauspopulationen auf dem Lammerskopf für die Kohärenz des „Natura 2000“-Netzes in der Region ausgehen würde.

    Wird der Lebensraum (z.B. Jagd- und Quartiergebiete) der betroffenen Population beeinträchtigt, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die ökologische Kohärenz des „Natura-2000“-Schutzgebietsnetzes zu sichern. Um dieses erfüllen zu können, müssen ausreichend Maßnahmenflächen zur Ver­fügung stehen, etwa indem Wälder groß­flächig aus der Nutzung genommen werden. In der Praxis wird jedoch häufig auf künstliche Quartiere als Hilfsmaßnahmen zurückgegriffen.

    Die Anbringung künstlicher Quartiere zur Wahrung der ökologischen Kohärenz des „Natura 2000“-Netzes wäre beim Lammerskopf höchstwahrscheinlich nicht erfolgreich, da gerade die besonders betroffene Mopsfledermaus, die überwiegend Quartiere hinter abstehender Baumrinde nutzt, Fledermauskästen äußerst selten annimmt. Generell ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche neuen, für die Fledermäuse unbekannten Quartiere in den ersten Jahren nach der Anbringung besiedelt werden, sehr gering (Pschonny, 2022).

    Daraus ergibt sich zwingend, dass wenn auf dem Lammerskopf ein Windkraftprojekt realisiert würde, mit erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes und des gesamten „Natura-2000“-Schutzgebietsnetzes in der Region zu rechnen wäre, die nicht durch Kohärenzsicherungsmaßnahmen ausgeglichen werden können.

Rechtssicherheit: Vertiefende FFH-Verträglichkeitsprüfung

An diese Feststellung schließt direkt unsere kritische Sicht auf die Leistungs­fähigkeit der aktuell im FFH-Gebiet im Bereich Lammerskopf durchgeführten vertiefenden FFH-Verträg­lichkeitsprüfung an:

Im von ForstBW ausgeschriebenen Waldgebiet am Lammerskopf sind die Errichtung und Betrieb von bis zu 15 Windkraftanlagen samt Zuwegung geplant. Von der Bürger­windpark Lammerskopf GmbH & Co. KG wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, um im Rahmen einer vertiefenden FFH-Verträglichkeitsprüfung die Beeinträchti­gungen für die Zielarten und Ziellebensraumtypen des FFH-Gebietes im Falle der Realisierung des Windparks abzu­schät­zen. Das Gutachten muss unter Berücksichtigung der besten ein­schlägigen wissen­schaft­lichen Erkenntnisse und unter Ausschöpfung aller wissen­schaft­lichen Mittel und Quellen nachweisen, dass eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele der betroffenen „Natura-2000“-Gebiete durch das Vorhaben ausgeschlossen ist (BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 – 9 A 20.05 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - Slg. 2004, I-7405, Rn. 36, 38).

Dafür werden mit naturschutzfachlich anerkannten Methoden Daten im Freiland erho­ben. Insbesondere die Erfassung der Fledermausarten bzw. die Beurteilung des Zustands der Populationen sind jedoch methodisch und zeitlich sehr aufwendig. Beispielsweise um Wochenstubenquartiere von Fledermausarten nachzuweisen, müssen Tiere gefangen, besendert und mehrere Nächte radiotelemetrisch verfolgt werden.

Die so gewonnenen Informationen müssen die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse (d.h. aktualisierte Daten zu Schutzgütern) aus dem Freiland darstellen und sollten folgende wich­tige Parameter zum jeweiligen Erhaltungszustand der Populationen beschreiben (Schnitter et al., 2006):

Populationsgröße

  • Erfassung der Wochenstubenkolonien
  • Erfassung der Wochenstubendichte
  • Bestimmung der Aktivitätsdichte als relative Häufigkeitsangabe im Jagdgebiet
  • Kontrolle von Winterquartieren

Populationsstruktur

  • Nachweis (Status) von Reproduktion bzw. Anzahl säugender Weibchen bzw. Jungtiere in einer Kolonie

Habitatqualität

  • Ermittlung der gebietstypischen Habitatpräferenzen
  • Quantitative Abschätzung der relevanten Habitatparameter
  • Erhaltungsgrad der essenziellen Habitate und Habitatstrukturen

Beeinträchtigungen

  • Berücksichtigung aktueller Einflussfaktoren

Aktuelle und potenzielle Fläche der FFH-Lebensraumtypen

Die zur Dokumentation dieser Parameter erforderlichen Felddaten lassen sich im Rahmen eines Gutach­tens verständlicherweise nur annäherungsweise darstellen. Dennoch muss das Gutachten hinsichtlich Umfang und Qualität der Untersuchungs­ergebnisse eine verlässliche Abschätzung der von den Windkraftplanungen des Betreiberkonsortiums ausgehenden Gefährdungen, welche potenzielle Risiken für Schutzgüter darstellen, erlauben.

Angesichts der Größe des Untersuchungsgebietes (ca. 360 ha FFH-Gebietsfläche plus Pufferzone), der angestrebten Zahl möglicher Windkraftanlagen (bis zu 15), der für Feld­untersuchungen schwierigen Topografie des Untersuchungsgebiets und insbesondere aufgrund der Vielzahl der im Gebiet zu erwartenden windkraftsensiblen Fledermausarten halten wir eine lediglich eine Saison abdeckende Studie für die „vertiefende“ FFH-Verträg­lichkeits­prüfung für nicht ausreichend, um mit dessen Ergebnissen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hinreichend und damit rechtssicher begründen zu können.

Rechtssicherheit: Pledges-Arten des Landes Baden-Württemberg

Die Mopsfledermaus gehört neben der Wildkatze und dem Grauen Langohr zu den drei priorisierten FFH-Säugetierarten, für die sich Baden-Württemberg im Rahmen der „EU-Biodiversitätsstrategie 2030“ verpflichtet hat, eine Verbesserung des Erhaltungszustands oder zumindest die Erreichung eines deutlich positiven Gesamttrends bis 2030 zu bewirken, sogenannte „Pledges“-Arten (pers. Mitt. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg, 27.03.2024). Diesem Ziel steht ein erheblicher Eingriff, den ein Windpark sowohl in der Bau- als auch in der Betriebsphase und unabhängig von der Anzahl der Anlagen für den Lebensraum der genannten Arten darstellen würde, entgegen.

Prioritäre Lebensraumtypen und Arten müssen gemäß § 34 (4) BNatSchG gesondert betrachtet werden. Dieses Gesetz gestattet Ausnahmeverfahren nur in besonders begründeten Fällen. Darüber hinaus muss eine Stellungnahme der EU-Kommission eingeholt werden.

Zusammenfassend betrachtet müssen erhebliche rechtliche Hürden bei der Planung, Geneh­migung und Umsetzung von Windenergieprojekten in dem FFH-Gebiet auf dem Lammers­kopf, einem besonderen gemeinschaftlichen, europäischen Schutzgebiet, deren Zielarten windkraftsensible Fledermausarten miteinschließen, und mit Schwerpunkt­vorkommen der Kategorien A und B, erwartet werden, so dass die Planung und Realisierung von Windkraft­projekten in diesem Gebiet für Projektbetreiber und Investoren mit einer erheblichen Rechts­unsicherheit verbunden sind. Insbesondere wenn das Vorhaben in einem Klageverfahren artenschutzrechtlich geprüft werden muss, ist mit einer Genehmigung und Umsetzung von Windenergieprojekten – wenn überhaupt – nicht ohne Weiteres und nicht zeitnah zu rech­nen.

Betroffene FFH-Lebensraumtypen

Als im Zuge der Raumordnung zur Windkraftnutzung im vorgeschlagenen Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W bedeutsame FFH-Lebensraumtypen (LRT) führt der Managementplan für das FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ die LRTen 9110 („Hainsimsen-Buchenwald“), 9130 („Waldmeister-Buchenwald“) und 9180 („Schlucht- und Hangmisch­wälder“) auf.

Der Managementplan des FFH-Gebiets sieht die betroffenen LRTen überwiegend in einem „hervorragenden“ (9110 und 9130) bis „guten“ (9180) Erhaltungszustand (RP Karlsruhe 2020). Es handelt sich dabei zum Teil um Altwaldbestände mit bis zu 190-jährigen Rot­buchen und bis zu 180-jährigen Eichen, die mit ihrem Angebot an Nist- und Quartierhöhlen essenzielle Lebens­raumstrukturen für zahlreiche Vogel- und Kleinsäugerarten, insbesondere wald­bewohnende Fledermäuse darstellen.

Als Entwicklungsziel wird daher für alle drei LRTen die Erhöhung des Angebots an lebens­raum­typischen Habitatstrukturen (Totholz, Habitatbäume) angegeben.

1 FFH = Fauna-Flora-Habitat Richtlinie; Name des Abkommens 92/43/EWG der EU zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen vom 21. Mail 1992

Abb 1: Empfohlene Kernbereiche des FFH-Gebietes mit Altwaldbeständen, Bearbeiteter Ausschnitt aus dem Managementplan, S.121,(Regierungspräsidium Karlsruhe, 2020)

Die Entwicklungsziele für die hier relevanten LRTen im vorgeschlagenen Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W stehen somit in einem engen Zusammenhang mit den im Management­plan für die im FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ vorkommenden wind­kraft­sensiblen Fledermausarten festgelegten Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen.

Betroffene windkraftsensible Fledermausarten

Im geplanten Vorranggebiet HD/RNK-VRG02-W sind drei Fledermausarten des FFH-Anhangs II im Managementplan als Zielarten festgehalten.

Von Bechsteinfledermaus und Großem Mausohr liegen Funde einzelner Tiere aus Fleder­mauskästen vor, die im Rahmen von regelmäßig durchgeführten Kastenkontrollen durch Frau Brigitte Heinz (AG Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V.) gemacht und doku­mentiert wurden. In den Kästen wurden über die oben genannten Fledermausarten hinaus auch noch die Zwergfledermaus, der Kleinabendsegler und das Braune Langohr gefunden. An der Lärchengartenhütte konnten zudem Kotspuren und Nahrungsreste des Braunen Lang­ohrs nachgewiesen werden (Spielmann 2023 mdl.) Ebenfalls an der Lerchengartenhütte wurden Zwergfledermäuse und eine Breitflügelfledermaus nachgewiesen, die dort ein Spaltenquartier nutzen (Spielmann mdl.).

In Altneudorf, weniger als 1.000 m Entfernung des Plangebiets befindet sich eine landesweit bedeutsame Wochenstube des Großen Mausohrs (ca. 600 reproduzierende Weibchen). Es muss davon ausgegangen werden, dass die Tiere die umliegenden Wälder des FFH-Gebiets – und damit auch das geplante Vorranggebiet als Jagdgebiet nutzen. Alleinlebende Männ­chen des Großen Mausohrs haben ihre Einzelquartiere dort im Plangebiet.

Von der Mopsfledermaus existierten bislang Telemetriedaten eines einzelnen Weibchens aus einer Wochenstube bei der Burg Schadeck. Das Tier nutzte das Lindenbachtal als Jagdgebiet.

In den Sommermonaten des Jahres 2023 wurden von Frau Edit Spielmann (AG Fledermaus­schutz Baden-Württemberg e.V. und BUND Steinachtal), akustische Erfassungen an sechs Standorten entlang des Bergrückens im FFH-Gebiet durchgeführt. Dabei konnte insgesamt eine hohe bis sehr hohe Fledermausaktivität festgestellt werden. Es wurden insgesamt elf Arten nachgewiesen. Über die bisher bekannten Arten hinaus konnten die Bartfledermaus (M. brandtii/mystacinus), die Mückenfledermaus, die Rauhautfledermaus, der Große Abend­segler und die Breitflügelfleder­maus nachgewiesen werden (Spielmann 2023). Auch das Mopsfledermaus-Vorkommen konnte an allen(!) sechs Beobachtungsstandorten bestätigt werden. Eine besonders hohe Aktivität dieser Art war am Münchel zu verzeichnen. Die Daten legen nahe, dass die Mopsfledermaus im ganzen Vorschlagsgebiet HD/RNK-VRG02-W präsent ist.

Da die Ruf- und Flugaktivität der Fledermäuse pro Standort jeweils nur fünf Nächte lang erfasst wurde, ist bei höher Erfassungsintensität mit dem Vorkommen weiterer Fledermaus­arten zu rechnen. Arnold (2017) erfasste im Odenwald zwischen Weinheim und Dossenheim in vergleichbaren Habitaten 15 Fledermausarten, u.a. die Wimperfledermaus, eine weitere Anhang-II-Art. Auch die Einträge im Bat-Portal der AG Fledermausschutz Baden-Württem­berg e.V. dokumentie­ren das Vorkommen weiterer Arten in der näheren Umgebung: die Zweifarbfledermaus, die Fransenfledermaus und die Wasserfledermaus (Winterquartier in Dilsberg). Im neu errich­teten Winterquartier in Schönau (etwa in 1 km Entfernung vom Plangebiet) überwintern das Große Mausohr, Braunes Langohr und die Bartfledermaus. Zahlreiche Herbst- und Winter­nachweise der Rauhautfledermaus in der näheren Umgebung belegen, dass auch diese Art im Gebiet überwintert.

Der Managementplan für das FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ beschreibt die erforderlichen Maßnahmen und Entwicklungsziele für die FFH-Anhang-II-Arten unter den Fledermausarten. Die Erhaltungszustände dieser Arten sind zu sichern und ggf. wiederher­zustellen.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind im Managementplan folgende Erhaltungs- und Entwick­lungsmaßnahmen vorgesehen:

  • Erhaltung und Schutz von Fledermausquartieren
  • Quartierschutzmaßnahme in alten oder als Dauerwald bewirtschafteten Laubwaldbeständen
  • Erhaltung von Jagdgebieten und Leitstrukturen für Fledermäuse
  • Förderung von Laubholzbeständen als Lebensstätte für waldbewohnende Fledermaus­arten – auch außerhalb der geschützten Lebensraumtypen“

Die im Managementplan formulierten Erhaltungs- und Entwicklungsziele und die dafür fest­gelegten Maßnahmenempfehlungen machen es darüber hinaus erforderlich, das FFH-Gebiet als Ganzes, d.h. sowohl innerhalb als auch außerhalb der geschützten Lebensraum­typen, sowie innerhalb und außerhalb der essen­ziellen Jagd­gebiete der genannten Fledermaus­arten von Windkraftanlagen freizuhalten. Dies gilt insbesondere für ökologisch besonders wertvolle Wälder. „Diese Lebens­räume sollten als Tabubereiche definiert werden, weil sie in der Regel Habitate für zahlreiche streng geschützte Arten sind, die durch Bau und Betrieb einer Windenergieanlage erheblich beeinträchtigt werden können“, wie es BUND und NABU in ihrem im November 2023 aktuali­sierten Positionspapier „Naturverträg­licher Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg.“ formulieren (BUND & NABU 2023, s. Anlage).

Die drei FFH-Anhang-II-Zielarten, die im Plangebiet vorkommen, gehören zu den „Verant­wortungsarten“, für deren Erhalt Deutschland eine hohe Verantwortung trägt. Der jeweilige aktuelle Erhaltungszustand der Arten wird in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1: Erhaltungszustand der für die im Managementplan des FFH-Gebiets „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ als Zielarten erfassten Fledermausarten (Quelle: Managementplan des FFH-Gebiets, und Artensteckbriefe des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), URL: https://www.bfn.de/artenportraits)

Lebensraumverlust – Beeinträchtigung der Fledermauspopulationen

Aus den akustischen Erfassungen von Spielmann (2023) geht hervor, dass die Mopsfleder­maus das gesamte FFH-Gebiet – mit einem besonderen Schwerpunkt um den „Münchel“ herum – als Lebensraum nutzt. Aufgrund der Intensität und der Verteilung der Rufaktivität dort (im Durchschnitt 44 Aufnahmen/Nacht) muss davon ausgegangen werden, dass sich dort mindestens ein Quartierbaum eines Wochenstubenverbands befindet.

Bei der Mopsfledermaus handelt es sich um eine Sonderstatus-Art, bei welchen mit einer Verschlechterung des Erhaltungszustands auf Landesebene im Falle eines Verstoßes gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote zu rechnen ist (LUBW 2022).

Es muss davon ausgegangen werden, dass die auf die Baumaßnahmen im Zuge der Reali­sierung von Windkraftprojekten zurückzuführenden Verluste von Quartierbäumen, bzw. im Falle der Bechsteinfledermaus und des Braunes Langohrs deren essenzieller Jagdgebiete, erhebliche negative Auswirkungen auf die jeweiligen Fledermauspopulationen haben, bis hin zu einem Erlöschen der gesamten Population. Eine genetische Verarmung in regionalen und überregionalen Populationen wäre aufgrund der reduzierten Vernetzung die Folge, was die Resilienz der jeweiligen Arten und damit die regionale Biodiversität verschlechtern würde.

Leise rufende Arten, wie z.B. Großes Mausohr, Langohr und Bechsteinfledermaus, meiden Waldflächen, abhängig von der Windgeschwindigkeit bis zu 450 m, im Umfeld von Windkraft­anlagen, da offenbar die von den Rotorblättern erzeugten Geräuschemissionen die Orientie­rung beeinträchtigen (Ellenbrok 2024). Dadurch geht diesen Arten großflächig Lebensraum verloren. Die Störung würde damit insgesamt ein deutlich größeres Areal betreffen als die von den Windkraftanlagen beanspruchte Stand- und Versorgungsfläche.

Gefährdung durch Kollision – Fledermauszug

Im Gebiet kommen auch der Große und der Kleine Abendsegler, die Mückenfledermaus sowie die Rauhautfledermaus vor. Beim Kleinen Abendsegler gibt es Hinweise auf mindes­tens einen Quartierstandort im FFH-Gebiet (Siebenbrunnenteichweg), da regelmäßig dort gut erkennbare „quartiernahe Rufe“ aufgezeichnet wurden (Spielmann 2023). Alle vier Arten sind durch die Kollision mit Windkraftanlagen gefährdet, insbesondere zur Zugzeit. Der Große Abendsegler als Art des Anhangs II der FFH-Richtlinie ist hier besonders hervor­zuheben. Arnold (2017) wies sowohl im Frühjahr als auch im Herbst reges Zuggeschehen der genannten Arten an der Westkante des Odenwaldes nach. Daher ist am Lammerskopf ebenfalls mit einer ähnlichen Zugphänologie zu rechnen. Verluste durch Schlagopfer auf dem Lammerskopf würden die Populationen des Großer Abendseglers und der Rauhaut­fledermaus auch in ihren entfernten Wochenstubengebieten beein­trächtigen.

Andernorts sind hohe Opferzahlen bei diesen Arten bekannt (Dürr, 2022). Der Große Abendsegler fliegt bei seinen Streckenflügen stets in einer Flughöhe von über 50 m, häufig auch über 200 m. Bei der Nahrungssuche sinkt die Höhe des Flugs auf 100 m und erst später, vor dem Auf­suchen des Quartiers unter 50 m (Abb.2) (Meineke, 2015). Der Kleinabendsegler fliegt etwas niedriger, oft in der Höhe von 30-100 m, während die Flughöhe der Rauhaut­fleder­maus häufig bei über 40 m liegt (Dietz et al., 2012). Damit liegt die durchschnittliche Flughöhe zumindest der beiden Abendseglerarten im Rotorenbereich moderner Windkraftanlagen (ca. 90-260 m Höhe).

Abb. 2: Maximale Flughöhen Großer Abendsegler an Tagen mit individuenreichem Auftreten (≥100). Stichprobenumfang: 18 Tage aus 10 Jahren (Mai, September und Oktober). „0 min" markiert den Sonnenuntergang. Die Trendlinie deutet auf einen Zusammenhang zwischen Höhe und Tageszeit bzw. Lichtstärke hin. Aus Meineke (2015)

Mit Hilfe von Abschalt­algorith­men kann zwar das Schlagrisiko verringert werden, doch die Wirksamkeit der Maßnahmen wird später häufig nicht mehr überprüft und die Ab­schaltzeiten werden zukünftig (nach der neuen gesetzlichen Regelung) nach wirtschaft­lichen Gesichts­punkten begrenzt. Zudem können Algorithmen nicht auf spontane Schwärm­ereig­nisse reagieren, wie sie beispielsweise bei jungen Zwergfledermäusen zu beobachten sind, so dass trotz Abschaltalgorithmen mit erheblichen Anzahlen an Schlagopfern bei diesen Fleder­mausarten zu rechnen ist. (Kruszynski et al. 2022). Über das erhöhte Tötungs­risiko von Einzeltieren hinaus können die hohe Schlagopferraten sogar lokal und auch regional zu einem Aussterben von Fledermauspopulationen der besonders betroffenen Arten führen (Hötker et al. 2005).

Würde auf dem Lammerskopf ein Windkraftprojekt realisiert werden, wäre mit erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes zu rechnen, die nicht durch Kohärenzmaßnahmen ausgeglichen werden können.

Vergeudete Mittel für den Naturschutz im NATURA-2000-Netzwerk

Das Land Baden-Württemberg investiert viele Millionen Euro für die Naturschutzarbeit in und im Einflussbereich von Natura-2000-Gebieten. Über viele Jahre wurden erhebliche Mittel, aus nationalen Budgets und aus EU-Fördertöpfen – letztlich aber immer aus Steuermitteln – aufgewendet, um ein kohärentes Gebietsmanagement für das Natura-2000-Schutz­gebiets­netz der EU in Baden-Württemberg zu entwickeln und in der Praxis umzusetzen. Dies ist ein niemals abgeschlossenes „Projekt“, das auch künftig mit umfangreichen Finanzmitteln aus­gestattet werden muss, um die Ziele der Natura-2000-Strategie als tragende Säule des Naturschutzes in der Europäischen Union zu erreichen.

Der Verband Region Rhein-Neckar würde mit der Ausweisung von Vorranggebieten für den Ausbau der Windkraftnutzung in FFH-Gebieten die eigentliche Strategie des Natura-2000-Schutzgebietsnetzes der EU untergraben.

Während noch nicht einmal alle Managementpläne abgeschlossen vorliegen und noch kaum Maßnahmen ergriffen wurden, um aktuelle Entwicklungstrends der Erhaltungs­zustände der jeweiligen FFH-Zielarten und -Lebensraumtypen zu erfassen, wird schon jetzt versucht, in erheblichem Maße in die Gebiete einzugreifen. Der damit verbundene Verwal­tungsaufwand, welcher bedeutende Personalressourcen und Finanzmittel bindet, geht zu Lasten der Umsetzung der eigentlichen Arbeit für die Natura-2000-Gebiete in der Region.

Insbesondere muss diese Feststellung gelten, wenn das Gebiet HD/RNK-VRG02-W „Lammerskopf“ in den Teilregional­plan Windenergie als Vorranggebiet für die regional bedeutsame Windenergie­nutzung aufgenommen würde.

Die BUND-Gruppen OV Steinachtal, OV Neckargemünd und KV Heidelberg erachten es als eine bedeutende Aufgabe des VRRN, sich schützend vor die Natura-2000-Gebiete in der Metropolregion zu stellen, sich für den Schutz und die Verbesserung der Erhaltungszustände der jeweiligen Schutzziele stark zu machen und eine Natura-2000-Öffentlichkeitsarbeit in der Metropolregion zu entwickeln, welche zum Ziel hat, die Bürgerinnen und Bürger der Metro­pol­region, aber auch die touristischen Besucher mit diesem beeindruckenden EU-Natur­schutz besser vertraut zu machen. Dadurch würde zudem der hohe Stellenwert von Natur und Landschaft im Allgemeinen und des Natur­schutzes im Speziellen in der Region Rhein-Neckar gestärkt und sichtbar gemacht.

Wir bitten, die in diesem Kapitel beschriebenen Zusammenhänge bei der Ausgestaltung des Teilregionalplans Wind der Metropolregion Rhein-Neckar im Auge zu behalten und die FFH- und EU-Vogelschutz-Gebiete der Region grundsätzlich von der Windenergiegewinnung freizuhalten, insbesondere keine Vorranggebiete für die regional bedeutsame Windenergie­nutzung in und im Nahbereich von Natura-2000-Gebieten auszuweisen.

Lammerskopf – ideal für ein Artenhilfsprogramm

Die BUND-Gruppen OV Steinachtal, OV Neckargemünd und KV Heidelberg schlagen an dieser Stelle vor, der herausragenden öko­lo­gischen Bedeutung des derzeit von der ForstBW bewirtschaften Waldes am Lammers­kopf Rechnung zu tragen und diesen nicht als Vorrang­gebiet für die Wind­energienutzung auszu­weisen, sondern das Gebiet stattdessen für die Realisierung eines sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene vorgesehenen Artenhilfs­programmes zu nutzen.

Ziel dieser Artenhilfsprogramme ist die Förderung und Sicherung windkraftsensibler Vogel- und Fledermauspopulationen in dafür besonders geeigneten Gebieten, um Verluste bei diesen Arten, die mit dem beschleunigten Ausbau der Windenergie an anderer Stelle unweigerlich verbunden sind, auszugleichen.

Das vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) regelt im neu geschaffenen § 45d die Verpflichtungen des Bundes zur Aufstellung nationaler Artenhilfs­programme (AHP). Artenhilfsprogramme sind Instrumente des Artenschutzes, die dem dauerhaften Schutz der Arten dienen, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffen sind.

Es ist wichtig, die Artenhilfsprogramme bei der Ausweisung von Vorranggebieten im Regionalplan bereits mitzudenken und ökologisch besonders wertvolle Altwaldbereiche wie jene im Umfeld des Lammerskopfs dafür freizuhalten. Die Flächen der Kategorie A und B gemäß des Fachbeitrags Artenschutz (LUBW 2022) sind für die Umsetzung der Arten­hilfs­programme die richtige Kulisse, da sie naturschutzfachlich bereits heute hochwertige bzw. sehr hochwertige Bereiche für gesetzlich geschützte, windkraftsensible Arten darstellen und einen wichtigen Schutzraum für mindestens drei der regional vom Ausbau der Windkraft betroffenen Arten bilden. Hier können daher bevorzugt Quellpopulationen dieser Arten aufgebaut, unterstützt und deren Bestände auf regionaler Ebene für die Zukunft gesichert werden.

In unseren Augen wäre es allein deshalb wichtig, die für ein derartiges Artenhilfsprogramm benötigten Waldareale schon frühzeitig in die regionale Raumplanung einzubeziehen, weil anderenfalls ausreichend große und hinsichtlich ihrer ökologischen Ausstattung geeignete Gebiete, in denen mit vergleichsweise geringem Aufwand wirksame Maßnahmen im Sinne der Arten­hilfsprogramme durchgeführt werden können, schnell vollständig durch den Ausbau der Windkraftnutzung sowie durch vielfältige andere Nutzungsinteressen „besetzt“ und dadurch für die Sicherung und Vernetzung der Lebensräume windkraftsensibler Arten ausfallen würden.

Neben der Mopsfledermaus gibt es am Lammerskopf bedeutende Bestände von mindestens zehn weiteren Fledermausarten (Spielmann 2023). Viele von ihnen benötigen zwingend alte Wälder mit einem hohen Totholz­anteil für ein gutes Quartierangebot und als Jagdgebiet. Es bietet sich dringend an, diese Vorkommen besonders zu fördern und einem besonderen Schutz zu unterstellen, um damit die Stützung anderer, durch den forcierten Ausbau der Windkraft unvermeidlich beeinträchtigter Populationen in der Region zu ermöglichen.

Wichtig ist uns zu betonen, dass es grundsätzlich nicht ausschließlich um den Schutz gefährdeter Fleder­mäuse geht. Denn diese Tiere sind im Grunde nur „Flaggschiff“-Arten, sozusagen die promi­nenten Stellvertreter für eine Reihe artenreicher Lebensgemein­schaften in alten Buchen­mischwäldern, für deren Erhaltung Baden-Württemberg im internationalen Maßstab eine besondere naturschutzfachliche Verantwortung trägt.

Die überwiegende Mehrheit der Windenergieanlagen wird derzeit im Wald geplant. Daher müssen wir Flächen für Artenhilfsprogramme im Wald sichern. Sie sollten großflächig und störungsarm sein, sich möglichst im Landesbesitz befinden und mit einem Laubmischwald bestockt sein, der einen hohen Anteil von Bäumen über 100 Jahre aufweist. Diese Bedin­gungen sind am Lammerskopf in weiten Bereichen des dortigen Waldes vollständig erfüllt.

Literatur

  • Arnold, A. (2017): Fledermauserfassung im Bereich der Windkraftplanung des Nachbar­schaftsverbandes Heidelberg-Mannheim. Bergstraße/Odenwald, KZW 9 und 10. Endbericht, RIFCON GmbH, Hirschberg.
  • BUND & NABU (2023): Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg. Positionspapier von BUND und NABU, November 2023, URL: https://www.dialogforum-energie-natur.de/wp-content/uploads/2023/11/2023-11-09-BUND-NABU-Windposition.pdf
  • Bundesamt für Naturschutz (BfN): Artenportraits über Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie um Vögel der Vogelschutzrichtlinie. Online: https://www.bfn.de/artenportraits
  • BVF (2023): Position des Bundesverbandes für Fledermauskunde Deutschland e.V. (BVF) zur „EU-Notfallverordnung“ und der Formulierungshilfe des BMWK „Beschleuniger für Wind- und Netzausbau“. Stand März 2023
  • Dietz M., K. Bögelsack, A. Hörig, F. Normann (2012): Gutachten zur landesweiten Bewer­tung des hessischen Planungsraumes im Hinblick auf gegenüber Windenergienutzung empfindliche Fledermausarten, im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.
  • Dürr, T. (2022): Fledermausverluste an Windenergieanlagen in Europa. Dokumentation aus der zentralen Datenbank der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt Brandenburg (Stand: 17.06.2022). Landesamt für Umwelt Brandenburg, Nennhausen/ OT Buckow.
  • Ellerbrok J.S.; Farwig N., Peter F. und C. Voigt (2024): Forest bat activity declines with increasing wind speed in proximity of operating wind turbines. Global Ecology and Conservation 94. https://doi.org/10.1016/j.gecco.2023.e02782
  • Gellermann, M. (2022): Das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. NuR 44, 589–599
  • Hötker, H.; Thomsen, K.-M. und H. Köster (2005). Auswirkungen regenerativer Energie­gewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und der Fledermäuse. BfN Skripten. Bonn - Bad Godesberg, Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.). 142 S.
  • Kruszynski, C.; Bailey, L.D.; Bach, L.; Bach, P.; Fritze, M.; Lindecke, O.; Teige, T. und C.C. Voigt (2022): High vulnerability of juvenile Nathusius’ pipistrelle bats (Pipistrellus nathusii) at wind turbines. – Ecol. Appl., 32: 1-12. DOI: 10.1002/eap.2513
  • Lambrecht, H.; Trautner, J.; Kaule, G. und E. Gassner (2004): Ermittlung von erheblichen Beeinträchtigungen im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung. - FuE- Vorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz - FKZ 801 82 130 [unter Mitarb. von M. RAHDE u. a.]. – Endbericht: 316 S. - Hannover, Filderstadt, Stuttgart, Bonn, April 2004.
  • LUBW - Landesanstalt Für Umwelt, Messungen Und Naturschutz Baden-Württemberg (2014): Hinweise zur Untersuchung von Fledermausarten bei Bauleitplanung und Geneh­migung für Wind- energieanlagen. 39 S., Karlsruhe.
  • LUBW - Landesanstalt Für Umwelt, Messungen Und Naturschutz Baden-Württemberg (2022): Fachbeitrag Artenschutz für die Regionalplanung Windenergie. 31 S., Karlsruhe.
  • Meineke, Thomas (2015): Phänologie und Verhalten flugaktiver Großer Abendsegler Nyctalus noctula (Schreber, 1774) im südlichen Niedersachsen in den Jahren 2000 bis 2014. Säugetierkundliche Informationen, Jena 9, H. 49 (2015) 403 - 428
  • Pschonny, S.; Leidinger, J.; Leitl, R. und W. Weisser (2022): What makes a good bat box? How box occupancy depends on box characteristics and landscape-level variables. Ecological Solution and Evidence, Volume 3, Issue 1. https://doi.org/10.1002/2688-8319.12136
  • Regierungspräsidium Karlsruhe (Hrsg.) (2020): Managementplan für das FFH-Gebiet 6518-311 „Steinachtal und Kleiner Odenwald" sowie die Vogelschutzgebiete 6618-401 „Steinbruch Leimen" und 6618-402 „Felsenberg" - bearbeitet von Spang. Fischer. Natzschka. GmbH
  • Schnitter, P., Eichen, C., Ellwanger, G., Neukirchen, M. & E. Schröder (Bearb.) (2006): Empfehlungen für die Erfassung und Bewertung von Arten als Basis für das Monitoring nach Artikel 11 und 17 der FFH-Richtlinie in Deutschland. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle), Sonderheft 2.
  • Spielmann, E. (2023): Fledermäuse im FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ bei Schönau – eine Sondierung. Der Flattermann, 35: 16-23.

Anlage

  • BUND & NABU (2023): Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg. Positionspapier von BUND und NABU, November 2023
  • Spielmann, E. (2023): Fledermäuse im FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ bei Schönau – eine Sondierung. Der Flattermann, 35: 16-23.